Förderung von unkonventionellem Erdgas - Besorgnis der Wasserwirtschaft

Christa HechtChrista Hecht

Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) hat Sorge um den Schutz des Grundwassers, weil derzeit keine Maßnahmen bekannt sind, mit denen das Grundwasser vor einem Eintritt der beim Fracking eingesetzten Chemikalien und der Formationswässer* sicher geschützt werden kann. Dabei ist eine sehr hohe Sicherheit gemeint, wie sie für die wichtigste Ressource, die die Menschheit zum Leben braucht -das Wasser- in Deutschland grundsätzlich immer gefordert wird.

Wasser ist Grundlage des Lebens

Für den sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit Wasser hat sich in Deutschland und Europa ein vielschichtiges System etabliert, das in ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht den Wasserkreislauf abdeckt und in der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) und dem Wasserhaushaltsgesetz seine rechtliche Grundlage hat.


Beim Fracking wird mit hohem Druck gearbeitet. Selbst in, vor dem Fracking-Vorgang, dichten Gesteinsschichten unterhalb des Grundwasserreservoirs können nach dem Fracking Risse entstehen, durch die die problematischen Stoffe bis in das Grundwasser aufsteigen könnten (Myers, 2012; Davies et al 2012). Der Untergrund ist kein starres, in seiner Ausbildung bekanntes Gebilde, sondern in Bewegung und die Grundwasserleiter haben großräumige unterirdische Ausmaße. Das lässt sich nicht zuverlässig abdichten.

In dem vom Umweltbundesamt (UBA) im August 2012 veröffentlichten Gutachten über Umweltauswirkungen von Fracking wurde deutlich, dass während der Gasgewinnungsphase ein unkontrollierter Aufstieg durch die Bohrstränge nicht ausgeschlossen werden kann. Als bedeutsam wurde auch die Nachbetriebsphase angesehen, da ja ein Rest der Fracking-Fluide nicht aus dem Untergrund zurückgeholt werden kann. Das ist ein dauerhaftes Risiko, über das Schadstoffe in das Grundwasser und die Oberflächengewässer gelangen könnten. Die Trinkwasserversorgung großer Bevölkerungsgruppen in Deutschland würde damit einem langandauernden Risiko ausgesetzt.

In einer von Jacksen et al 2013 aktuell veröffentlichten US-Studie wurde über die Ergebnisse von Untersuchungen von 141 Wasserbrunnen im Gebiet von Pennsylvania berichtet. In Proben aus einem Umkreis von einem Kilometer zu Frackinganlagen waren die Werte für Methan 6-mal höher als die durchschnittlichen Werte; bei Ethan lagen die Werte 23-mal höher und in 10 Brunnen wurde sogar Propan gefunden. Als mögliche Ursachen für die Kontamination werden die Nähe zu Frackinganlagen, Talsohlen und die Struktur des Gebietes angesehen.

Vorsorgegrundsatz ist zu beachten

Für das Fracking sind bedeutend mehr Bohrungen erforderlich als für die konventionelle Gasgewinnung. Durch diese Bohrrohre werden Frack-Fluide mit giftigen, umweltgefährlichen, gesundheitsschädlichen, reizenden, ätzenden, wassergefährdenden und stark wassergefährdenden Chemikalien gepresst. Wenn davon etwas in das Grundwasser austritt, sind Verunreinigungen die Folge. Das stellt ein Risiko dar und läuft dem Vorsorgeprinzip zuwider. Nach diesem Prinzip sind Risiken für die menschliche Gesundheit abzuwenden, noch bevor diese deutlich sichtbar geworden sind - vor allem dann, wenn es sich um erst spät eintretende, schwere oder unumkehrbare Gesundheitsschäden handeln könnte. Das ist der Hintergrund für den Besorgnisgrundsatz des § 48 Wasserhaushaltsgesetz wonach eine Grundwassernutzung nur erlaubt werden darf, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht „zu besorgen“ ist.

Außerdem bestehen erhebliche Defizite bei der Bestimmung der eingesetzten Additive, der Zusammensetzung und der Konzentration der Fracking-Fluide. Die bisher einzigen Informationen, die auch den Wissenschaftlern, die die Risikostudie für das Umweltbundesamt angefertigt haben, vorlagen, waren die von den Unternehmen veröffentlichten Daten und die Sicherheitsdatenblätter. Es werden zwar auch schwach und nicht wassergefährdende Chemikalien eingesetzt, das bedeutet aber nicht, dass damit die Gefährlichkeit der anderen Chemikalien fortfällt. Auch ist es durch die fehlende Information bisher nicht möglich gewesen, das Zusammenwirken der verschiedenen Stoffe im „Fracking-Cocktail“ zu untersuchen.

Formationswasser enthält Schwermetalle

Aber selbst Fracking mit ungefährlichen Additiven löst nicht das Problem, dass die im Untergrund vorhandenen Formationswässer mit den darin enthaltenen gelösten Schwermetallen aufsteigen und das Grundwasser belasten können.

Mit dem geförderten Gas kommt auch der sogenannte Flowback (Teil des verpressten Wassers, Sandes, des Fracking-Fluids und Formationswasser) an der Oberfläche an. Ein Teil des Flowback wird wieder verpresst. Der Rest muss entsorgt werden. Das sind große Mengen. In den USA werden sie oft in offenen Becken gelagert, die können bei Regen überlaufen. Wenn dies in Deutschland ebenso geplant sein sollte, bekämen wir hunderte gefährliche Flowback-Seen in den Bohrgebieten.

Selbst die Lagerung in geschlossenen Behältern stellt bei den Chemikalien und Schwermetallen ein großes Problem dar. Und bei diesen großen Mengen, die letzten Endes in Tankwagen entsorgt werden müssen, sind Unfälle vorprogrammiert. Problematisch ist auch, wohin entsorgt werden soll. Das hochbelastete Flowback kann nicht an anderer Stelle einfach in den Untergrund gepresst werden, nicht in Oberflächengewässer geleitet werden, auch nicht über Kläranlagen entsorgt werden. Die Kläranlagen sind dafür gar nicht ausgerüstet. Die Entsorgung ist völlig offen. Dies ist ein bisher unterschätztes Problem.

 

Rahmenbedingungen und Handlungsbedarf

Die „Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V.“ fordert, dass dem Schutz des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung für künftige Generationen Vorrang vor anderen Interessen eingeräumt werden muss.

Einbeziehung der Kommunen, Wasserversorger und Öffentlichkeit

Die betroffenen Kommunen mit ihren im Umfeld von Fracking-Gebieten tätigen Wasserversorgern müssen frühestmöglich in die Genehmigungsverfahren verbindlich einbezogen werden. Das muss schon bei der Klärung der Frage, ob eine Erlaubnispflicht vorliegt, erfolgen.

Bereits vor der Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis gemäß § 11 Nr. 10 Bundes-Berggesetz muss geprüft werden, ob überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung ausschließen. So kann bei einer frühen Einbindung der Kommunen und der Wasserversorger das „überwiegende öffentliche Interesse“ rechtzeitig erkannt und abgewogen werden. Außerdem fordern wir eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung, diesbezüglich ist das Bergrecht zu ändern.

In Wasserschutzgebieten müssen Tiefbohrungen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, bei denen Gesteine unter hydraulischen Druck aufgebrochen werden, ausgeschlossen werden. Wir fordern darüber hinaus ein Verbot auch in nicht ausgewiesenen Schutzgebieten, die für die Trinkwassergewinnung Einzugsgebiete sind, sowie in Vorranggebieten für die Trinkwassergewinnung. Es bestehen nämlich Risiken auch für die Oberflächengewässer, aus denen Trinkwasser gewonnen wird. Insofern ist ein Frackingverbot auch auf die Einzugsgebiete von Flüssen und Seen, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, auszudehnen.
Das Verbot muss außerdem einen Sicherheitsabstand zu den hier genannten sensiblen Gebieten einschließlich des Untergrunds „unter“ diesen Gebieten vorsehen, damit insbesondere Gewässerbelastungen durch waagerechte Bohrungen und geologische Verwerfungen ausgeschlossen werden können.

Die im Frühjahr dieses Jahres vom Bundesumweltministerium vorgelegten Entwürfe zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes und zur Änderung der UVP-V Bergbau wurden vom Bundestag nicht zur Beratung angenommen. Vorschläge einiger Bundesländer im Bundesrat leider auch nicht. So haben wir derzeit eine ungenügende rechtliche Situation, denn die bestehenden Gesetze reichen unserer Ansicht nach nicht aus. Die bisher diskutierten gesetzlichen Änderungen würden zwar zunächst die Trinkwasserversorgung in den Wasserschutzgebieten schützen und durch Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Bevölkerung in einem geregelten Verfahren Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen, in denen Umwelt- und Naturschutz berücksichtigt werden. Aber der auch in der Risikostudie bemängelte unzureichende Forschungsstand wäre damit nicht beseitigt.

Wasserressourcen schonen für Generationen

Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land. Unsere überwiegend qualitativ guten und mengenmäßig reichlich vorhandenen Wasserressourcen dürfen nicht für einen kurzfristigen Erdgasboom gefährdet werden. Wir brauchen sauberes Wasser zum Leben, für die Hygiene, für die Landwirtschaft etc. Das Gas ist schnell verbraucht, mit Schadstoffen belastetes Grundwasser braucht aber Generationen, um sich zu regenerieren, und die Folgen einer evtl. erforderlichen Grundwassersanierung trägt in jedem Falle wieder die Allgemeinheit, während die Gewinne aus dem Gasgeschäft bei den privaten Investoren verbleiben würden.

 


*Formationswasser, ist Wasser innerhalb einer Gesteinseinheit unabhängig der Herkunft des Fluides. Diese Wässer können meteorischen Ursprungs, d.h. infiltriertes Oberflächenwasser (z.B. Regen, Meerwasser), oder bei der Entstehung der Gesteinsformation eingeschlossenes Porenwasser sein. Viele Formationswässer im tiefen Untergrund sind hochsalinar (sog. Solen mit >100 g/L vollständig gelöster Feststoffe) in denen erhebliche Mengen Schwermetalle gelöst sein können.



Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW)
Die AöW ist die Interessenvertretung der öffentlichen Wasserwirtschaft in Deutschland. Zweck des Vereins ist die Förderung der öffentlichen Wasserwirtschaft durch die Bündelung der Interessen und Kompetenzen der kommunalen und verbandlichen Wasserwirtschaft.

AöW-Mitglieder sind Einrichtungen und Unternehmen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung die ihre Leistungen selbst oder durch verselbstständigte Einrichtungen erbringen und vollständig in öffentlicher Hand sind. Ebenso sind Wasser- und Bodenverbände sowie wasserwirtschaftliche Zweckverbände und deren Zusammenschlüsse in der AöW organisiert. Außerdem sind Personen, die den Zweck und die Ziele der AöW unterstützen, Mitglied.


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