Schiefergas in den Niederlanden

Yvonne Schavemaker, Niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung TNO

May 2012, aktualisiert Juli 2015

 

Die Niederlande sind seit der Entwicklung des Groninger Gasfeldes in den 1960er Jahren ein großer Produzent und Verbraucher von Erdgas. Es handelt sich um das größte Erdgasfeld im Westen des europäischen Kontinents. Aktuelle Prognosen zeigen, dass die konventionellen Produktionsmengen aus Onshore- und Offshore-Feldern in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken werden. Die Niederlande haben jedoch immer noch den Ehrgeiz, ihre herausragende Rolle auf dem Gasmarkt Nordwesteuropas zu behalten. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, den zukünftigen Bedarf decken zu können. Energie Beheer Nederland (EBN), der Beteiligte von staatlicher Seite an den Energieprojekten, bekräftigte das ehrgeizige Ziel, im Jahr 2030 30 Milliarden Kubikmeter Gas aus kleinen Feldern zu produzieren. Dies wird erhebliche Investitionen in noch nicht erkundeten Gebieten, neue Technologien und sehr wahrscheinlich auch in die Entwicklung herausfordernder Reservoirgesteine, wie bei Schiefergas, erforderlich machen.

Aufgabe der TNO

Die niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung, TNO, ist eine unabhängige Forschungsorganisation, welche sich zum Ziel gesetzt hat, den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung stabil zu gestalten. Die TNO investiert in umweltfreundliche Alternativen zu fossilen Brennstoffen, versucht aber auch, die Nutzung der fossilen Brennstoffe während der Phase des Übergangs zu nachhaltigeren Lösungen optimal und sauber zu gestalten. Unter diesen Brennstoffen für den Übergang wird erwartet, dass Erdgas, ein relativ sauberer fossiler Brennstoff, die bedeutendste Rolle spielt.

Als Forschungsinstitut und geologischer Dienst der Niederlande verfügt die TNO über umfassende Kenntnisse des niederländischen Untergrunds und verwaltet die Datenbank mit allen Daten und Informationen zum Untergrund der Niederlande. Eine erste Auswertung unter Verwendung bestehender Daten aus dieser Datenbank der TNO im Jahre 2009 im Auftrag von Energie Beheer Nederland (EBN) bestätigte das hohe Potenzial für Schiefergas in den Niederlanden, obwohl bei der Vorstellung dieser hohen Schätzungen auf die erheblichen Unsicherheiten verwiesen wurde. Aufgrund dieser erheblichen Unsicherheiten bei den geschätzten Gasvorräten, gibt es viele Meinungen zu den möglichen Schiefergasressourcen in den Niederlanden.

Die TNO arbeitet derzeit daran, die Schätzungen für Schiefergas zu verfeinern. Dazu werden zusätzliche Daten genutzt und ein multidisziplinärer Ansatz einbezogen. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf die Formationen der jurassischen Posidonienschiefer und der tieferen namurischen (Karbon) Schiefervorkommen. Abgesehen von einer Abschätzung der Vorkommen, erforscht TNO auch Methoden und Technologien, welche für eine mögliche zukünftige Förderung von Schiefergas wichtig sind. Diese Forschung beinhaltet auch die Minimierung der Auswirkungen an der Oberfläche, die Überwachung und Simulierung von hydraulischer Frakturierung und die Suche nach Alternativen zu einer Stimulation. Die Bohrungsintegrität sowie die Behandlung des Abwassers sind weitere Forschungsbereiche. Diese Untersuchungen finden vielfach in enger Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten, Universitäten oder mit der Industrie statt.

Die TNO hat auch die Führung im gemeinsamen Programm zu Schiefergas der Europäischen Energieforschungsallianz (European Energy Research Alliance, EERA) übernommen. Gemeinsam mit mehr als 24 Forschungsinstituten und Universitäten erstellen wir eine transparente und unabhängige Wissensplattform zu Schiefergas und vermitteln ein auf der Forschung basierendes Verständnis der Technologie und der Methoden, wobei wir auch auf die Besorgnis eingehen, die in Zusammenhang mit der Entwicklung von Schiefergas geäußert wird.

Öffentliche Debatte

Die Förderung und die erwartete Produktion von Schiefergas ist in den Niederlanden auf den Widerstand der Öffentlichkeit gestoßen [z.B. in Haaren und Boxtel]. TNO begleitet die öffentliche Diskussion mit Daten und Informationen zur Entwicklung von Schiefergas. Kürzlich hat TNO die Erstellung einer „Argument Map“ in vier Sprachen für die Erschließung von Schiefergas in den EU-Mitgliedstaaten initiiert. Auf dieser Karte werden kurz und klar die Argumente aller Interessengruppen (Betreiber, Wasserwerke, Nichtregierungsorganisationen, Forschungsinstitute usw.) dargestellt. Sie soll als Richtschnur für weitere Gespräche dienen.

Als Reaktion auf die Diskussion um Schiefergas hat das niederländische Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten 2011 eine Studie zu den möglichen Risiken einer Förderung von Schiefergas angeordnet. Diese führte zu der Empfehlung, dass zusätzliche Forschung notwendig sei: um die lokalen Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt festzustellen, sind standortspezifische Untersuchungen erforderlich, z. B. in Form einer Umweltverträglichkeitsprüfung. 

Als Reaktion auf diese Studie entschloss sich das Ministerium, die "Structural Vision Shalegas” zu entwickeln als Teil eines Gesamtkonzepts zur Nutzung der Untergrunds (“Structural Vision Subsurface”). Die "Structural Vision Shalegas” wird der Regierung Informationen darüber liefern, ob Schiefergas in den Niederlanden entwickelt werden soll, wenn ja, auf welche Weise und in welchen Regionen. Im Juli 2015 wurden 3 Teil-Studien der "Structural Vision Shalegas” veröffentlicht (Link): 

  • PlanMER (Umweltverträglichkeitsprüfung), 
  • Innovative Technologien Schiefergas  
  • Untersuchung sozialer Auswirkungen. 

Die endgültige "Structural Vision Shalegas” soll Ende 2015 fertiggestellt sein. 

Auf Grundlage der drei veröffentlichten Studien hat der Minister angekündigt, dass während der nächsten fünf Jahre keine kommerzielle Schiefergasförderung in den Niederlanden durchgeführt wird. Im "Energy Report 2015", der gerade erarbeitet wird, wird erörtert werden, ob Shale Gas längerfristig in den Niederlanden nicht weiterverfolgt werden soll. Der "Energy Report" wird vom Wirtschaftsministerium herausgegeben und gibt einen Überblick über die Energieversorgung in den Niederlanden, mit Focus auf eine nachhaltige Energieversorgung bis 2050. 

Lizenzen

Auch wenn alle Lizenzen für Schiefergas auf Eis gelegt sind, verfügen einige Betreiber über eine Lizenz zur Förderung von Schiefergas in den Niederlanden. Diese Lizenzen sind alle in der Datenbank für die Förderung von Produktion von Öl und Gas des niederländischen Ministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten verzeichnet. Die Liste der beantragten und entzogenen Lizenzen wird regelmäßig aktualisiert. In der Datenbank wird nicht zwischen Lizenzen für konventionelle oder unkonventionelle Ressourcen unterschieden. Dies wird nach dem Bergrecht und der Bergbauverordnung nicht für notwendig erachtet.

Im Allgemeinen sind die Lizenzen für Schiefergas an dem großen Gebiet zu erkennen, das sie im Vergleich zu den üblichen Lizenzen für konventionelle Ressourcen umfassen. In der Karte sind die Lizenzen verzeichnet, bei denen die Beantragung einer Förderung von unkonventionellem Gas am wahrscheinlichsten ist. Bis jetzt wurde noch kein Schiefergasvorkommen zur Förderung genutzt. Die Bohrungen an solchen Vorkommen sind von der niederländischen Regierung ausgesetzt worden, bis die Forschungsergebnisse vorliegen.

In der Karte sind die Lizenzen verzeichnet, bei denen die Beantragung einer Förderung von unkonventionellem Gas am wahrscheinlichsten ist.

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Die Debatte

Shale gas in the Netherlands