Schiefergas in Europa: Potenzieller Nutzen oder unvorhersehbare Risiken?

11.06.2014

Allgemein

In den vergangenen Jahren hat das Energiepotenzial unkonventioneller Gaslagerstätten, und im Speziellen Schiefergas, großes Interesse bei Regierungen, Unternehmen und im Forschungsbereich hervorgerufen, was wiederum zu verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung führte. Vor dem Hintergrund des prognostizierten erhöhten Energiebedarfs wird Erdgas oftmals als sauberere Alternative zu Öl und Kohle (hinsichtlich CO2 Emissionen pro Energieeinheit), und auch als geeignete Reservekapazität für erneuerbare Energien angesehen. Der aktuelle Schiefergas-Boom in den USA hat das Interesse an Schiefergas in vielen Regionen der Erde angeregt. In Europa haben einige Länder erste Schritte zur Schiefergaserforschung begonnen, während andere Länder weiterhin zögerlich agieren, da die zur Schiefergasgewinnung angewendete Technik, das hydraulische Frakturieren des Gesteins, potenzielle Umweltrisiken mit sich bringt.

Der IASS Workshop zum Thema “Shale Gas in Europe – A Transdisciplinary Approach” fand am 21. und 22. Mai am IASS statt und hatte das Ziel, Kernpunkte einer möglicherweise aufkommenden Schiefergasindustrie in Europa zu identifizieren und zu bewerten, gleichzeitig die Kommunikation zwischen Interessenvertretern zu fördern, sowie das Verständnis für alle sachbezogenen Aspekte zu vertiefen. Die Teilnehmer des Workshops kamen u.a. aus Deutschland, den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Polen und der Ukraine, und waren Vertreter aus Wissenschaft, Regierungen, Zivilgesellschaft und Industrie.

Der Workshop behandelte vier Hauptthemen: Aktuelle Schiefergas-Entwicklungen in Europa, geopolitische und makroökonomische Aspekte, Fragen der öffentlichen Auseinandersetzung sowie Umwelt und Technologie.

Die Diskussionen rund um die ökonomischen und politischen Dimensionen unterstrichen die vielen verschiedenen – und manchmal länderspezifischen – Aspekte des Schiefergas-Ansatzes, und dies über die technische Perspektive hinaus. Im Wesentlichen erschweren die vielen Unsicherheiten und offenen Fragen hinsichtlich Schiefergas in Europa (technisch gewinnbare Ressourcen, Kosten etc.) jeden Versuch, zukünftige Auswirkungen zu modellieren. Die Analyse der US Fallstudie zeigte nützliche Einblicke in die ökonomischen und umweltbezogenen Auswirkungen der Schiefergasgewinnung, aber diese werden dennoch als nicht ausreichend bewertet, um ein Gesamtbild über die mögliche Situation in Europa zu bekommen.

Regierungspositionen und öffentliche Meinung zu Schiefergas variieren stark in den Ländern Europas, aber auch innerhalb dieser Länder. Vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen der Schiefergasgewinnung, ist die öffentliche Auseinandersetzung die Kernkomponente einer demokratischen Partizipation und darf von den betroffenen Ländern daher nicht ignoriert werden. Die Diskussionen um ein regionales Pilotprogramm in Polen zeigt beispielhaft wie lokale Behörden einen Rahmen für lokale Gruppen zur Interaktion mit der Industrie bieten können, um Meinungen und Ansichten zu einem frühen Zeitpunkt im Entscheidungsfindungsprozesses zu diskutieren.

In der letzten Workshop-Session präsentierten Experten aus Wissenschaft und Industrie die neuesten Erkenntnisse zu technischen und umweltbezogenen Fragestellungen. Themen wie z.B. Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport, Frac Fluide, induzierte seismische Aktivität und Wassermanagement (Frac water und Flowback). Diese Themen  wurden im Hinblick auf wissenschaftliche Forschung und auch derzeitige industrielle Anwendungen analysiert. Bereits existierende und zukünftige Techniken zur Risikominderung wurden debattiert und die verbleibenden Unsicherheiten aufgezeigt.

Ein immer wiederkehrender Diskussionsaspekt während des Workshops war die Frage, ob eine Schiefergasgewinnung in Europa helfen könnte, klimapolitische Ziele, und im Speziellen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, zu unterstützen oder ob eine Schiefergasproduktion diese untergraben würde. In diesem Zusammenhang könnten innovative Lösungsansätze zur CO2- freien Nutzung von Erdgas eine klimafreundlichere Option darstellen, falls Erdgas aus unkonventionellen Quellen eine größere Rolle im europäischen Energiesystem spielen wird.

Recht häufig bezieht sich die öffentliche Schiefergas-Debatte in Europa oft nicht auf ein fakten-basiertes Verständnis zum Thema. Gleiches trifft auf die Vorhersagen der Schiefergas-Befürworter zu. Demnach ist ein transdisziplinärer Ansatz notwendig, um wissenschaftliche Ergebnisse und soziale Perspektiven zu diskutieren und informierte Entscheidungen zu treffen.


Lesen Sie mehr über Schiefergas:
Das Forschungsprogramm des IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies e.V.): Bedeutung und Potenzial von unkonventionellem Gas.



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