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Neue Entwicklungen in der Debatte um Schiefergasgewinnung durch Fracking - Das EU-Parlament fordert nun eine verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Autor: Anna Alexandra Seuser
Universität Trier, Deutschland
Publiziert: 16. Oktober 2013
Am Mittwoch, dem 9. Oktober 2013, befasste sich das Europäische Parlament mit der Frage einer Neuauflage der Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und formulierte schlussendlich die Forderung, eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung bei sogenannten Frackingmaßnahmen vorzuschreiben. Diese Forderung ist ihrerseits Bestandteil der Abstimmung über den Änderungsvorschlag der EU-Kommission für die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie)), den diese am 26.10.2012 (COM (2012) 628 final) vorgelegt hatte. Hierin war ursprünglich eine Anwendung des Verfahrens auf alle Fracking-Projekte nicht vorgesehen gewesen. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollte es vielmehr bei der bestehenden Regelung bleiben, wonach die Verbindlichkeit eines UVP-Verfahrens von der geförderten Gasmenge abhängig gemacht wurde. Dies aber hätte in den Mitgliedstaaten zur Folge gehabt, dass entweder für die geplanten Frackingmaßnahmen die UVP-Richtlinie per se nicht relevant wäre oder sich eine Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten über ihre Einschlägigkeit ergeben hätte.
Konkreter Gegenstand der nun in dieser Woche vollzogenen Abstimmung war der Berichtsentwurf des italienischen Abgeordneten Andrea Zanoni von der liberalen Fraktion ALDE, der den Vorschlag enthält, sowohl die im Rahmen der Schiefergasgewinnung vorgenommenen Explorationsbohrungen – also die Untersuchung von Lagerstätten und Rohstoffvorkommen in der Erdkruste – als auch die Gewinnungsbohrungen innerhalb der neuen UVP-Richtlinie mit der Prüfungspflicht zu belegen. Der Bericht wurde in erster Lesung mit 322 Ja-Stimmen angenommen, 311 Abgeordnete stimmten dagegen.
Die in der Vergangenheit auch auf nationaler Ebene heftig diskutierten sogenannten Fracking-Vorhaben sollen damit nach dem Willen der Abgeordneten zukünftig in Europa grundsätzlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sein, wobei das umweltpolitische Instrument der Umweltvorsorge in diesem Zusammenhang unabhängig von der Fördermenge eingreifen soll. Weiterhin soll die Pflicht sowohl für die Förderung als auch für die Erkundung möglicher Vorkommen von Schiefergas gelten. Darüber hinaus schlugen die EU-Abgeordneten vor, eine erhöhte Informationstransparenz für die Öffentlichkeit bezüglich anstehender Fracking-Projekte festzuschreiben. Auch sollen Vorkehrungen getroffen werden, um Interessenkonflikte vorzubeugen und durch die Festlegung „deutlicher Kriterien zur Einbindung der Öffentlichkeit ein Mehr an Akzeptanz zu generieren“, so Zanoni.
Eine verbindliche UVP-Pflicht in diesem Sinne war auch auf nationaler Ebene bereits mehrfach diskutiert worden, um damit dem Schutz des Grundwassers und der Oberflächengewässer adäquat Rechnung tragen zu können. Argumentiert worden war in diesem Zusammenhang stets mit den Risiken der beim Fracking eingesetzten gefährlichen Chemikalien für die Qualität der Gewässer und der lebensnotwendigen Wasserversorgung. Ebenso war die Frage der Entsorgung der beim Fracking anfallenden hochbelasteten Abwässer für problematisch erachtet worden. Jüngste Ereignisse in Colorado, wo nach sintflutartigen Regenfällen tausende oberirdische Lagerstätten von Fracking-Abwässern mit unbekannten gefährlichen chemischen Additiven des Förderungsprozesses übergelaufen waren und in der Folge eine langfristige Verseuchung der Trinkwasservorkommen zu befürchten ist, hatte die innerdeutsche Debatte erneut entfachen lassen.
Was resultiert nun aus der Forderung des EU-Parlaments?
Mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung in dem vorgeschlagenen Sinne wäre es möglich, die Belange des Umweltschutzes und die möglichen Belastungen der Bevölkerung durch das Fracking in adäquater Weise zu untersuchen und zu beachten – dies steht für „Frackingkritiker“ zweifellos fest. Auch wenn die Forderung daher einen ersten Schritt in diese Richtung wagt, darf die diese dennoch nicht vorschnell mit einer bereits beschlossenen UVP-Pflicht in diesem Sinne gleichgesetzt werden. Vielmehr bleibt zunächst abzuwarten, ob die Forderung des EU-Parlaments auch innerhalb des weiteren Verfahrens durch den Rat der Europäischen Union überhaupt akzeptiert werden wird. Endgültige Gewissheit wird sich erst nach der zweiten, spätestens nach der dritten Lesung einstellen können. Bis dahin wird noch einige Zeit vergehen.
Die für den Fall einer Übereinstimmung von Parlament und Rat über eine novellierte UVP-Richtlinie dann auf die Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten delegierte Verantwortung für die Umsetzung der darin enthaltenen Maßgaben nach deren Ermessen verspricht ein Szenario mit nicht weniger „explosivem Charakter“ – dies dokumentierte das monatelange Ringen der (scheidenden) Koalition (CDU/CSU und FDP) um ein deutsches Gesetz zur Regelung der umstrittenen Schiefergasförderung, das schließlich im Juni 2013 für „gescheitert“ erklärt wurde.