Rechtliche Folgen der Empfehlungen der Europäischen Kommission zu den Mindestanforderungen für Schiefergas in Polen
Autor: Michal Tarka
Jurist und Doktorand an der Rechtsfakultät der Adam Mickiewicz Universität (UAM) in Poznań, Polen
Publiziert: 18. Februar 2014
Am 22. Januar 2014 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung veröffentlicht, in denen Mindestanforderungen für die Förderung und Produktion derjenigen Kohlenwasserstoffen festgelegt werden, für die in großem Umfang die hydraulische Frakturierung genutzt wird1. Die Empfehlung ist in erster Linie das Ergebnis von Arbeiten und Analysen, die sich über mehr als zwei Jahre hingezogen haben. Es geht hierbei um den Schutz der Gesundheit des Menschen und der Umwelt in Zusammenhang mit der wachsenden Prospektion, Förderung und Produktion unkonventioneller Kohlenwasserstoffe in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Arbeiten umfassten hauptsächlich eine öffentliche Konsultation2 auf europäischer Ebene sowie wichtige Maßnahmen im Europäischen Parlament und im Rat.
Was sind Empfehlungen?
Zunächst wird darauf eingegangen, welche rechtliche Bedeutung Empfehlungen als Quelle der europäischen Gesetzgebung haben. Sie werden nach Artikel 292 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beschlossen3 und stellen im Grunde eine der unverbindlichen abgeleiteten Rechtsvorschriften dar, die auch direkt von der Europäischen Kommission beschlossen werden können. Aufgrund ihrer fehlenden Rechtskraft ergeben sich daraus keine Sanktionen, die Mitgliedstaaten dazu verpflichten würden, solche Empfehlungen anzunehmen und umzusetzen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofes sind Empfehlungen allerdings zu berücksichtigen, sollten etwa in Urteile nationaler Gerichte einfließen, insbesondere, wenn sich die Empfehlungen auf die Klärung interner rechtlicher Vorschriften beziehen oder verbindliche Regelungen der EU-Gesetzgebung ergänzen. Eine solche Position ergibt sich aus dem Grundsatz der Solidarität, der in der EU-Gesetzgebung gilt4. Folglich stellt eine Empfehlung eine bestimmte Interpretationsrichtlinie für Gerichte und nationale Verwaltungsbehörden dar, die in die formalen rechtliche Vorgänge eingebunden sind, welche das Schiefergas in unserem Land betreffen.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Europäische Kommission erwartet, dass die in der Empfehlung genannten Mindestanforderungen innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum ihrer Veröffentlichung (d. h. die Frist läuft am 22. Juli 2014 ab) umgesetzt werden und dass die Mitgliedstaaten die Kommission jährlich über die umgesetzten Maßnahmen informieren (ab Dezember 2014). Auf der Basis der erhobenen Daten überprüft die Europäische Kommission die Effizienz der von den Mitgliedstaaten umgesetzten Maßnahmen, und zwar 18 Monate nach dem Datum der Veröffentlichung der Empfehlung. Sollten die in der Empfehlung dargelegten Mindestanforderungen nicht umgesetzt werden, kann die Kommission Legislativ-Vorschläge mit rechtlich verbindlichen Vorschriften zu Förderung und Produktion von Kohlenwasserstoffen, für die in großem Umfang die hydraulische Frakturierung genutzt wird, einreichen.
Mindestanforderungen
Zu den Mindestanforderungen, die am 22. Januar für die mit der hydraulischen Frakturierung verbundenen Vorgänge vorgestellt wurden, ist anzumerken, dass die Europäische Kommission den Schwerpunkt auf die folgenden Fragen gelegt hat: Stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung als bisher, Schutz des Grundwassers, Seismizität, Überwachung der relevanten Umweltbereiche, welche durch die hydraulische Frakturierung möglicherweise in großem Umfang beeinflusst werden sowie angemessene Kontrolle der verwendeten Chemikalien und vernünftige Nutzung des Wassers. Das Entscheidende an der Empfehlung ist, dass die Kommission verbindliche optimale Verfahren für die Industrie festsetzen und den Austausch aller verfügbaren Informationen zwischen den Behörden, den Unternehmen und den Vertretern der betroffenen Gemeinden fördern möchte.
Um das Grundwasser vor möglichen Auswirkungen der hydraulischen Frakturierung zu schützen, sollten die Mitgliedstaaten Mindestgrenzwerte für die Tiefe zwischen dem aufzubrechenden Bereich und dem Grundwasser (Absatz 3(2) der Empfehlung) festsetzen und die Anforderung einer Risikoabschätzung vor Beginn der Maßnahmen zur Förderung und Produktion von Kohlenwasserstoffen erfüllen, wobei sie die geologischen Schichten antizipieren, welche das Reservoirgestein vom Grundwasser trennen (Absatz 5(3)(b) der Empfehlung) und die zuvor erwähnte minimale vertikale Entfernung zwischen dem aufzubrechenden Bereich und dem Grundwasser einhalten (Absatz 5(3)(c) der Empfehlung).
Es ist deshalb so wichtig, den Status der bestehenden Brüche und einzelnen geologischen Schichten festzulegen, bevor mit den Maßnahmen begonnen wird, weil dadurch die Bewertung möglicher Emissionen von Substanzen während der Frakturierung erleichtert wird. Dies wird z. B. dazu führen, dass geologische Schichten mit höherer Permeabilität berücksichtigt werden, welche ihrerseits die Lage bestimmter Vorkommen beeinflussen können.
Die Notwendigkeit seismischer Analysen und deren ständige Überwachung (vor, während und nach der Frakturierung) ist einer der Aspekte des Umweltschutzes, der bislang in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unerwähnt geblieben ist. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass Großbritannien der einzige Staat ist, der eine Bestimmung in Kraft gesetzt hat, wonach ein Betreiber verpflichtet ist, ständig seismische Überwachungen durchzuführen. Ihre Aufnahme in die Mindestanforderungen der Empfehlung sollte positiv gesehen werden, weil somit eine Basis für Seismizität - Absatz 6(2)(f) der Empfehlung; Druckkontrolle und Anpassung während der hydraulischen Frakturierung – Absatz 9(2)(d) der Empfehlung und ständige Überwachung der Installation und des Untergrunds vor, während und nach der hydraulischen Frakturierung – Absatz 11(1) der Empfehlung) festgelegt wird.
Darüber hinaus wurden Anforderungen bezüglich einer umfassenden und ständigen Überwachung der relevanten Umweltbereiche eingeführt. Es wurde auch betont, dass eine solche Überwachung vor, während und nach der Frakturierung auch Informationen über die genaue Zusammensetzung der Frac-Flüssigkeit für jede Lagerstätte, die Wassermenge für die Frakturierung jeder Lagerstätte, den Druck während der Frakturierung, das Rückflusswasser sowie die Luftemissionen durch Methan und andere organische Verbindungen. Die Ergebnisse der Überwachung sind stets den zuständigen Behörden zu melden.
Eine der umstrittensten Fragen in Bezug auf die Frakturierung ist die Zusammensetzung der verwendeten Frac-Flüssigkeiten. Nur wenige Mitgliedstaaten haben die Anforderung umgesetzt, die Bestandteile solcher Substanzen offenzulegen. In der betrachteten Empfehlung hat die Europäische Kommission erneut betont, dass Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender ihren Verpflichtungen nach der REACH5-Verordnung zur Registrierung, Bewertung und Beschränkung chemischer Stoffe nachkommen müssen. Sehr oft beachten Betreiber, welche eine hydraulische Frakturierung durchführen, z. B. die Anforderung nicht, zu überprüfen, ob die von ihnen verwendete Substanz ordnungsgemäß registriert worden ist. Darüber hinaus sollten die wichtigen Informationen zu den verwendeten chemischen Stoffen öffentlich bekannt gegeben werden. Diese Verpflichtung wurde den Betreibern von Lagerstätten direkt, indirekt aber auch den zuständigen nationalen Behörden auferlegt (Absatz 15 der Empfehlung).
Die Empfehlungen beinhalten auch Anforderungen zur Notwendigkeit, eine sogenannte Basis festzulegen. Interessanterweise werden in der Empfehlung auch Richtlinien gegeben, nach denen vorgeschlagen wird, dass Tests der Integrität der Lagerstätten (in allen Phasen der Aktivitäten) von einem unabhängigen und qualifizierten Dritten überprüft und bewertet werden sollten. Außerdem gibt die Empfehlung einen Grund, eine Datenbank mit Informationen zu optimalen Verfahren im Bergbau zu erstellen. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass diese Lösung in den Vereinigten Staaten von Amerika üblich ist. Dort erstellt und verwaltet die Bergbauindustrie Datenbanken zu optimalen Verfahren.
Rasche Umsetzung der Empfehlungen
Mit Blick auf Polen ist zu sagen, dass hinsichtlich der Gesetzgebung die Vorschläge der Kommission bald in Form einer Änderung des Geologie- und Bergrechts durch den Umweltminister angenommen werden könnten. In Bezug auf die Organisation gibt es mindestens zwei Instrumente, die nach bestimmten Änderungen für die Umsetzung der Vorschriften in der Empfehlung genutzt werden könnten. Erstens führt das polnische geologische Institut die ständige Überwachung der Lagerstätten, unabhängig von den Lizenznehmern, durch. Zweitens wurde bereits eine öffentliche Kommunikationskampagne „Razem o łupkach“ ['Together about shales'/"Gemeinsam in Shales"] umgesetzt. Diese Kampagne erfüllt möglicherweise nach ihrer Ausweitung auf alle Lizenzen und der Einführung des Grundsatzes der vollen Transparenz der Maßnahmen, die von den Betreibern und den nationalen Behörden getroffen werden, die Vorschriften in der Empfehlung. Als lokale Plattform für den Wissensaustausch würde sie organisierten Gruppen in den Gemeinden die Möglichkeit eröffnen, an der Gesetzgebung mitzuwirken.
Zusammenfassend ist zu betonen, dass die Europäische Kommission beschlossen hat, Maßnahmen zur Förderung und Produktion von Kohlenwasserstoffen zu ergreifen, für die in großem Umfang die hydraulische Frakturierung genutzt wird. Dies erfolgte in Form von unverbindlichen Rechtshandlungen, wobei dadurch die bereits bestehenden Rechtsvorschriften in neuem Licht erscheinen. Dieser unverbindliche Charakter bedeutet allerdings nicht, dass die Mitgliedstaaten die in der Empfehlung dargelegten Mindestanforderungen nicht annehmen müssten. Man hat den Eindruck, die Kommission habe restriktivere Gesetzesvorschläge zu Schiefergas in Europa nur aufgeschoben, bis sie weitere Argumente für die Einführung genauer Vorschriften für diese Industrie gefunden hat. In Polen ist es möglich, dass sich die für das Projekt zu Schiefergas Verantwortlichen nun darauf konzentrieren, Maßnahmen auszuarbeiten, um die Empfehlung so umzusetzen, dass die Kommission solche Argumente nicht finden wird. Was kann getan werden, um dies zu erreichen? Folgendes scheint hilfreich zu sein:
- Änderung des Geologie- und Bergrechts;
- Ausweitung der Überwachung von Lagerstätten mit neuen Standorten im Rahmen der vom polnischen Geologischen Institut umgesetzten Kampagne;
- Nutzung und Veränderung durch Erweiterung der öffentlichen Kommunikationskampagne „Gemeinsam in Shales“.
1Die deutsche Version der Empfehlung;
2Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation stehen im Bericht der Europäischen Kommission;
3Amtsblatt der EU, 30.3.2010, C 83/47; Eur-lex/el;
4M. Kenig-Witkowska, Prawo instytucjonalne Unii Europejskiej, Warschau 2011, Seiten 191-192; Urteil des Gerichtshofes vom 13.12.1989 – Fall C-322/88 – Salvatore Grimaldi v. Fonds des maladies professionnelles, ECR 1989, S. 4407;
5Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18. Dezember 2006; Eur lex/el.