Schiefergas in Deutschland – Status Quo
Alexandra Vetter, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
August 2016
Die Exploration und Produktion von Schiefergas ist ein kontrovers diskutiertes Thema in Deutschland, auch wenn die Aktivitäten in diesem Energiesektor nach wie vor noch sehr begrenzt sind. Schätzungen über das Schiefergasvorkommen in Deutschland schwanken und sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Die jüngste Schätzung über die Menge des technisch förderbaren Schiefergases liegt bei 11.3 bis 71.7 Trillion cubic feet (Tcf) bzw. 320 bis 2030 Milliarden Kubikmeter. Die Größenordnung dieser als nicht-konventionell bezeichneten Vorkommen übersteigt damit allerdings weiterhin deutlich Deutschlands konventionelle Erdgasreserven und -ressourcen von rund 90 Milliarden Kubikmeter bzw. 110 Milliarden Kubikmeter (inklusive Tight Gas).
Hintergrund
Deutschland importiert rund 70 % seiner Energierohstoffe. Dabei werden hauptsächlich Steinkohle* (ca. 81 %), Mineralöl** (ca. 98 %), Erdgas** (ca. 90 %) sowie Uran* für die Kernenergie (100 %) importiert. Lediglich ein Viertel des Energieaufkommens Deutschlands (einschl. der erneuerbaren Energien) wird im Inland gewonnen (*Daten von 2012, BMWi; **Daten von 2014, LBEG).
Kurz nach der Katastrophe in Fukushima 2011 (Tohoku-Oki Erdbeben) leitete die Bundesregierung eine Energiewende ein. Dem entsprechend werden alle Kernkraftwerke in Deutschland bis 2022 abgeschaltet. Für den deutschen Energiemix hat dieses Vorhaben dramatische Folgen. Die gesamte in Kernkraftwerken erzeugte elektrische Energie (22 % der Bruttoproduktion elektrischer Energie) muss nun ersetzt werden. Erdgas wird häufig als wichtiger Übergangs-Energieträger erachtet und könnte einen Teil der Energie aus den Kernkraftwerken ersetzen. Des Weiteren wird Erdgas als wichtiger Energieträger der Zukunft gesehen, denn Erdgas ist verfügbar, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf der ZEIT KONFERENZ Erdgas & Klimaschutz in Berlin im Oktober 2014.
Lediglich 10 % des verbrauchten Erdgases entstammen der heimischen Erdgasförderung. Zudem sinkt die heimische Erdgasförderung, weil die Vorräte in den herkömmlichen Lagerstätten (konventionelle und „Tight Gas“) abnehmen. (Jahresbericht LBEG, 2013). Zu den unkonventionellen Gasvorkommen in Deutschland zählt vor allem Schiefergas, welches eventuell eine entscheidende Rolle für die Verbesserung der Versorgungssicherheit durch eine heimische Energiequelle spielen könnte.
Öffentliche Debatte der Schiefergasgewinnung
Die Thematik der hydraulischen Bohrlochstimulierung von Gasbohrungen (Hydraulic Fracturing, Fracking) ist seit ca. 4 Jahren in den Medien, öffentlichen Diskussionen und der Fachwelt präsent. Dabei richtet sich der Fokus der öffentlichen Debatten auf die möglichen Umweltauswirkungen der Fracking-Technik wie: Verunreinigung des Grundwassers, Erdbeben, erhöhte Treibhausgasemissionen, der Verbrauch von enormen Wassermengen sowie Risiken durch unangemessene Entsorgung des rückgeförderten Fluides.
Verschiedene Bürgerinitiativen gegen die Schiefergas-Gewinnung wurden vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gegründet. Diese beiden Bundesländer sind bislang die am erfolgversprechendsten Regionen für die Schiefergasexploration. Neben dem „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.“ (BBU) und „No Moor Fracking“ bildet die Website "Gegen Gasbohren" eine gemeinsame Kommunikationsplattform vieler deutscher Bürgerinitiativen gegen die Förderung von Schiefergas in Deutschland. Auch Deutschlands Bierbrauer sowie die Umweltbeauftragten der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) lehnen in öffentlichen Positionen die Technik der Schiefergasgewinnung ab.
In Deutschland wird seit den 50er Jahren die Fracking-Technik in konventionellen und Tight-Gas Lagerstätten zur Erhöhung der Förderrate eingesetzt. Seitdem wurden über 300 „Fracs“ in z.T. über 5000 m tiefen Bohrungen erfolgreich durchgeführt (Jahresbericht 2010, LBEG). Laut Jahresbericht 2012 des LBEG sind „Umweltschäden in all den Jahren nicht bekannt geworden“. Allerdings ist der Einsatz der Fracking-Technik für die Förderung von Schiefergas „Neuland“ für Deutschland, da die geologischen Formationen mit den interessanten Schiefergesteinshorizonten in flacheren Teufen liegen und auch die eingesetzten Frac-Volumina deutlich höher sind als bei konventionellen Lagerstätten (Jahresbericht LBEG, 2012). Bürgerinitiativen verweisen auf bislang fehlende begleitende Betriebsüberwachung (Monitoring) oder gezielte Untersuchungen der Umweltauswirkungen bei den bislang durchgeführten Fracking-Maßnahmen.
Bisher wurde in Deutschland im Jahr 2008 eine Probebohrung (Damme 3, Niedersachsen) unter Anwendung der Fracking-Technologie im Schiefergestein durchgeführt. ExxonMobile veröffentlichte auch die chemische Zusammensetzung der eingesetzten Frac-Fluide, die bei den 3 Frac-Behandlungen zum Einsatz kamen. Die Probebohrung diente der Abschätzung des Förderpotentials des vorhandenen Schiefergesteins. Jedoch hat die Bohrung bislang kein endgültiges Ergebnis erhalten (Jahresbericht LBEG, 2012).
Allgemeiner Konsens besteht jedoch unter allen Beteiligten (Bürger, Behörden, Umweltverbände, Wissenschaft und auch Industrie) hinsichtlich der Notwendigkeit von intensiver Forschung rund um das Thema Schiefergas.
Politische Aspekte
Nachdem im Juni 2013 entschieden wurde einen Gesetzentwurf zur Regulierung der ‚Fracking-Technologie‘ nicht mehr in die letzte Wahlperiode in den Bundestag einzubringen, hatte nun im Juli 2014 das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium ein gemeinsames Eckpunktepapier vorgelegt. Die Eckpunkte [siehe SHIP News] beinhalten die strengsten Regeln, die es in diesem Bereich jemals gab und sehen keine kommerzielle Förderung zu wirtschaftlichen Zwecken auf absehbarer Zeit vor. Lediglich wissenschaftlich begleitete Erprobungsmaßnahmen sollen möglich sein. Das Eckpunktepapier wurde sowohl von den Gegnern, die ein Totalverbot der Technologie forderten, wie auch von den Befürwortern, denen das Eckpunktepapier einem Totalverbot gleichkam, heftig kritisiert. Im September 2014 startete ExxonMobil eine Werbekampagne für die Förderung von Schiefergas in Deutschland mittels ‚Fracking‘ mit dem Titel „Lassen Sie uns über Fracking reden“. In dem offenen Brief wirbt ExxonMobil damit, dass es ihnen gelungen ist “eine Kernforderung aus Öffentlichkeit und Politik zu erfüllen: Es werden nur noch zwei ungiftige [Cholinchlorid und Butoxyethoxyethanol] und zudem biologisch leicht abbaubare Zusätze zum Einsatz kommen.“ Damit reagiert die Industrie direkt auf eine der im Eckpunktepapier genannten Punkte [„(…) Erprobungsmaßnahmen zur Erforschung von Auswirkungen auf die Umwelt und den Untergrund hingegen sollen möglich sein, wenn die eingesetzte Frackflüssigkeit nicht wassergefährdend ist.“]. Bereits im April 2014 veröffentlichte ExxonMobil die entwickelten und auf ein Minimum reduzierten Additive im Rahmen des 3. Statusberichts zur Umsetzung der Empfehlungen durch den Neutralen Expertenkreis [siehe SHIP News]. Zeitgleich wurden der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks 660.000 Unterschriften von Fracking-Gegnern überreicht.
Im September 2014 bemängelten die Europäischen Geologischen Dienste des Nordatlantikraums in einer offenen Stellungnahme (Kopenhagen Erklärung) die zu geringe Einbeziehung ihrer staatlichen Fachbehörden bei geowissenschaftlichen und rohstoffwirtschaftlichen Fragen bezüglich des geologischen Untergrundes [siehe SHIP News]. Die Direktoren der Dienste (darunter auch BGR-Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel) sind besorgt über irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen, insbesondere über die Gewinnung von Schiefergas. Darin werden wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen häufig ignoriert. „Häufig werden Gefahren heraufbeschworen, die gar keine sind. Beim Fracking zur Förderung von Erdgas gibt es weit verbreitete Ängste in der Bevölkerung, die aus geowissenschaftlicher Sicht größtenteils unbegründet sind“, erklärt BGR-Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel.
Im November 2014 wurde überraschenderweise eine überarbeitete Version des ursprünglichen Eckpunktepapiers bekannt gegeben. Darin wurde hinzugefügt, dass „Ausnahmsweise ist nach erfolgreichen Erprobungsmaßnahmen auch kommerzielles Fracking dann zulässig, wenn eine unabhängige Expertenkommission ein positives Attest hinsichtlich Umweltauswirkungen und Erdbebensicherheit ausstellt und die zuständigen Berg- und Wasserbehörden der Länder dies genehmigen. Das Votum dieser Kommission ist für die Genehmigungsbehörden der Länder allerdings nicht bindend.“
Am 1. April 2015 wurde im Bundeskabinett der Gesetzentwurf zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie beschlossen (Details siehe SHIP News).
Im Juni 2016 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Regulierung von Hydraulic Fracturing (“Fracking”) verabschiedet. Das Gesetz verbietet Hydraulic Fracturing für die Exploration und Produktion von Schiefergas und Schieferöl. Im Gegensatz zu einem Gesetzentwurf von vor einem Jahr, der Schiefergas-Exploration in einer Tiefe unterhalb von 3000 m erlaubte, ist die Exploration von unkonventionellen Kohlenwasserstoffen nun komplett verboten. Die einzige Ausnahme bieten bis zu vier Erprobungsvorhaben in Tongesteinen, deren Zweck vor allem die Untersuchung der Umweltauswirkungen sein wird. Mehr zum Gesetz hier.
Wissenschaftliche Gutachten und Positionen
ExxonMobil Risikostudie Fracking
Als Antwort auf die verbreitete öffentliche Ablehnung der Explorationsmaßnahmen im Nordwesten Deutschlands leitete Anfang 2011 die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) einen „Informations- und Dialogprozess“ über die potenziellen Risiken und die Umweltverträglichkeit der unkonventionellen Gasproduktion ein. Eine ausführliche Zusammenfassung der in diesem Zusammenhang von Wissenschaftlern erstellten „Risikostudie Fracking“ wurde in der Abschlusskonferenz am 25. April 2012 in Osnabrück vorgestellt.
Im Mittelpunkt des Informations- und Dialogprozesses standen acht führenden Experten deutscher Forschungseinrichtungen, die an einem breiten Spektrum an Fragen insbesondere zu den Umwelt- und Gesundheitsrisiken von Hydraulic Fracturing arbeiteten. Die Experten wurden mit großer Sorgfalt ausgewählt; neben ausgezeichneter wissenschaftlicher Expertise waren die Unabhängigkeit von der Erdgasindustrie und von ExxonMobil weitere Auswahlkriterien.
Die wichtigsten Schlussfolgerungen der Wissenschaftler:
- Fracken in unkonventionellen Lagerstätten ist mit einer neuen Dimension von Risiken verbunden: Wesentliche Gründe sind die gegenüber der konventionellen Erdgasförderung größere Zahl der Bohrungen und der damit verbundenen Vorgänge wie Wasserverbrauch, Chemikalieneinsatz und Transporte sowie die geringere Tiefe der Lagerstätten.
- Die Prüfung der Risiken hat gezeigt, dass eine langsame Entwicklung des Frackens in unkonventionellen Lagerstätten in vorsichtigen Schritten möglich sein sollte – es gibt keinen sachlichen Grund für ein grundsätzliches Verbot.
EMPG und die Wissenschaftler betonten, dass die Experten ergebnisoffen geforscht haben und nicht von EMPG beeinflusst wurden. In dieser Hinsicht ist das Bekenntnis von EMPG, alle Empfehlungen der Forscher bei seinen künftigen Hydraulic-Fracturing-Vorhaben in Deutschland umzusetzen, bemerkenswert [siehe SHIP News].
Risikostudie des Bundesumweltministeriums
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und des Umweltbundesamts (UBA) stellte im August 2012 eine Studie über die Umweltverträglichkeit der Schiefergasförderung vor [siehe SHIP News]. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist für jedes Schiefergasvorhaben durchzuführen, das Hydraulic Fracturing einsetzt; darüber hinaus sind ein breites Informationsangebot und eine Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich. Gebiete mit ungünstigen geologischen Voraussetzungen sowie Trinkwasserschutzgebiete sollten von der Schiefergasexploration ausgenommen werden. Zudem wird eine Überführung der umwelt- und sicherheitsbezogenen Genehmigungen und die Überwachung in den Geschäftsbereich der Umweltministerien gefordert.
Die Studie empfiehlt, das Hydraulic Fracturing nicht zu verbieten, den Einsatz allerdings nur in Verbindung mit strengen Vorschriften sowie intensiver behördlicher und wissenschaftlicher Überwachung zuzulassen.
Im Juli 2014 stellte das Umweltbundesamt das 2. Gutachten zu den Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas insbesondere aus Schiefergaslagerstätten vor [siehe SHIP News]. Auch in dieser Studie „(…) wird empfohlen, wissenschaftlich begleitete Erprobungsmaßnahmen durchzuführen, da ohne solche Erprobungsmaßnahmen weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Chancen und Risiken der Frackingtechnologie begrenzt sind."
Risikostudie des Umwelt- und Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen
Das NRW-Gutachten des Umweltministeriums und des Wirtschaftsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen stellte im September 2012 eine Studie über die Auswirkungen des Hydraulic Fracturing auf die Umwelt vor. Die Studie betont, dass die mit der Schiefergasförderung verbundenen Risiken derzeit nicht abschließend beurteilt werden können und mehr Forschung erforderlich ist. Ferner kommt sie zu dem Schluss, dass das Hydraulic Fracturing in Trinkwasserschutzgebieten verboten werden soll.
Diese Studie empfiehlt ein Verbot der Schiefergasexploration unter Einsatz des Hydraulic Fracturing in Nordrhein-Westfalen, bis u.a. weniger schädliche Zusatzstoffe für die Frac-Flüssigkeiten zur Verfügung stehen und die Abfallentsorgung in vertretbarem Umfang geregelt ist. Die Landesregierung setzte die Empfehlungen sofort um und setzte die Anwendung von Hydraulic Fracturing aus, bis weitere Erkenntnisse über die mit dieser Technologie einhergehenden Risiken vorliegen.
Verwaltungsvorschrift des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG)
Ende Oktober 2012 erließ das LBEG eine neue Rundverfügung zu „Mindestanforderungen an Betriebspläne, Prüfkriterien und Genehmigungsablauf für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Niedersachsen". Die Verwaltungsvorschrift bezieht sich auf konventionelle und dichte (Tight-Gas) Lagerstätten bei denen das Hydraulic Fracturing zum Einsatz kommt. Durch die in der Rundverfügung festgelegten Anforderungen und Abläufe zum Hydraulic Fracturing in Erdöl- und Erdgaslagerstätten soll die behördliche Bewertung und Beurteilung sichergestellt werden. Die LBEG legt somit für Unternehmen und Öffentlichkeit eine nachvollziehbare Grundlage fest für zukünftige Anträge. Die Rundverfügung findet für Erdwärme (Geothermie) und Schiefergas Lagerstätten keine Anwendung.
Gemeinsame Stellungnahme der Staatlichen Geologischen Dienste der Deutschen Bundesländer (SGD) und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Im März 2013 veröffentlichten die BGR und die SGD eine gemeinsame Stellungnahme zu den 2012 erschienenen deutschen Studien zu Hydraulic Fracturing (UBA-Gutachtens, NRW Gutachtens und Risikostudie des ExxonMobile-Dialogprozesses). Die Stellungnahme wurde im Auftrag des Bund/Länder-Ausschusses Bodenforschung verfasst. Die Prüfung dieser Studien ergab scharfe Kritik an der Darstellung und Beurteilung der geowissenschaftlichen Sachverhalte. „Die aufgezeigten geowissenschaftlichen Schwächen der Studien können zu einer undifferenzierten Betrachtungsweise und damit insgesamt zu einer generellen Überschätzung der Unsicherheiten in der Beurteilung von geowissenschaftlich begründbaren Gefahren und Risiken der Frac-Technologie führen. (…) Es ist festzuhalten, dass zahlreiche der erhobenen Empfehlungen mit geowissenschaftlichem Bezug bereits gängige Praxis sind.“ Es wird in der Stellungnahme auch angemerkt, dass die angeblich fehlende Datengrundlage für regionale Bewertungen des geologischen Untergrundes nicht den Tatsachen entspricht.
Stellungnahme des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU)
Die im Mai 2013 veröffentlichte SRU-Stellungnahme plädiert für einen nüchternen Umgang mit den Chancen und Risiken von Fracking. Der SRU stellt fest, dass die Gewinnung von Schiefergas in Deutschland unter den derzeitigen Voraussetzungen entbehrlich ist. Der SRU betont in seinem Bericht, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand wesentliche offene Fragen hinsichtlich der mit Hydraulic Fracturing verbundenen Risiken verbleiben. Das Gremium empfiehlt eine schrittweise Klärung der offenen Fragen, indem zunächst nur Pilotprojekte zugelassen werden.
„Hannover Erklärung“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ und des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Die drei geo-und umweltwissenschaftlichen Institutionen BGR, GFZ und UFZ veröffentlichten im August 2013 ihre gemeinsamen Standpunkte zum Thema „umweltverträgliches Fracking“ bei der Schiefergasgewinnung. Die „Hannover-Erklärung“ resultiert aus einer zweitägigen Konferenz mit nationalen und internationalen Fachleuten zu naturwissenschaftlichen und technischen Aspekten.
Die wesentlichen Schlussfolgerungen sind:
- Erdgas ist für Deutschland ein unverzichtbarer Rohstoff. Die Gewinnung von Schiefergas kann zur Stabilisierung der abnehmenden einheimischen Erdgasförderung beitragen und damit einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffversorgungssicherheit leisten.
- Die Anwendung der Fracking-Technologie zur Schiefergasgewinnung in Deutschland erfordert umweltverträgliche Verfahren (z. B. den Einsatz umweltverträglicher Frac-Fluide) und die Weiterentwicklung des bestehen den Rechtsrahmens zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas. Dabei muss der Schutz des Trinkwassers oberste Priorität haben.
- Ob Fracking zur Schiefergasgewinnung umweltverträglich durchgeführt werden kann, ist entsprechend der geologischen Standortbedingungen fallweise zu prüfen und durch geeignete Monitoring-Maßnahmen zu begleiten. Hierzu muss im Rahmen der jeweiligen bergrechtlichen Verfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden und die Beteiligung der Umweltverwaltung, insbesondere der Wasserbehörden, sichergestellt sein.
- Der Einsatz und die Entwicklung der Technologie zur Schiefergasgewinnung in Deutschland erfordern ein transparentes und schrittweises Vorgehen. Deshalb sollten
- erste Vorhaben als Demonstrationsprojekte durchgeführt und alle Beteiligten (Öffentlichkeit, Industrie, Wissenschaft und Umweltorganisationen) von Beginn an einbezogen werden;
- Einzelmaßnahmen und -ergebnisse veröffentlicht und durch ein umfassendes wissenschaftliches Programm begleitet und bewertet werden;
- Untersuchungen zur möglichen Beeinträchtigung des Grundwassers durch Fracking-Maßnahmen im Mittelpunkt stehen.
Bisher einzigartig bei der Erarbeitung der „Hannover-Erklärung“ war die Möglichkeit aller Beteiligten den Entwurf online einzusehen und an dieser Erklärung mitzuarbeiten.
Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech)
Ein generelles Verbot des Hydraulic Fracturing lässt sich auf Basis wissenschaftlicher und technischer Fakten nicht begründen. Zu diesem Fazit kommt acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in einem neuen Positionspapier über Anwendungsmöglichkeiten, wirtschaftliche Perspektiven und potentielle Umweltrisiken von Hydraulic Fracturing. (Weblink). Dieses Positionspapier wurde im Juni 2015 veröffentlicht. Siehe SHIP news über das Positionspapier.
Forschung zu Schiefergas in Deutschland
GASH - Gas Shales in Europe
Das GASH-Projekt war die erste größere europäische Initiative für Schiefergas, die breit gefächerte Forschung im Bereich Schiefergas betriebt. An diesem Projekt beteiligen sich neun führende europäische Forschungseinrichtungen, die Staatlichen Geologischen Dienste sowie Branchenpartner.
Die an GASH beteiligten Unternehmen treten nicht nur als Sponsoren auf; sowohl Unternehmen als auch wissenschaftliche Partner unterstützten GASH durch den Zugang zu wichtigem Datenmaterial und die Bereitstellung und Nutzung ihrer eigenen Analyseeinrichtungen.
Ein Hauptproblem bei der Forschung zur Schiefergasexploration in Europa bildet der fehlende Zugang zu schiefergasspezifischen Daten zu aussichtsreichen stratigraphischen Horizonten über nationale Grenzen hinaus. Deshalb wird in GASH eine webbasierte GIS-Datenbank aufgebaut (European Black Shale Data Base, EBSD).
GeoEn
Grundlagenforschung zu deutschen Gasschiefern wurde im Rahmen des Projektes GeoEn betrieben. GeoEn ist ein interdisziplinäres, nationales Energieforschungsprogramm, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird. Das Programm beschäftigt sich intensiv mit vier Kernthemen, die von Bedeutung für die Energiegewinnung aus fossilen und erneuerbaren Georessourcen sind. Dazu zählen: Schiefergas, CO2-Abscheidung, CO2-Speicherung und Erdwärme. Die Ergebnisse werden verwendet, um sichere und umweltfreundliche Lösungen für den künftig wachsenden Energiebedarf anzubieten. GeoEn war Sponsor der Shale Gas Information Platform SHIP.
NiKo
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) führt in enger Zusammenarbeit mit dem United States Geological Survey (USGS) das Projekt NiKo durch (Projektlaufzeit 2011-2015). Wichtiger Bestandteil des Projekts sind Untersuchungen zum Schiefergaspotenzial in Deutschland; ein erster Bericht wurde im Mai 2012 veröffentlicht. Der Bericht sieht ein großes Potenzial für Schiefergas von 700-2268 Milliarden m3.
Bezüglich der Umweltbedenken kommt die Studie zu folgendem Schluss: „Sofern die gesetzlichen Regelungen eingehalten, die erforderlichen technischen Maßnahmen getroffen und standortbezogene Voruntersuchungen durchgeführt werden, ist aus geowissenschaftlicher Sicht ein umweltverträglicher Einsatz dieser Technologie möglich. Fracking und Trinkwasserschutz sind grundsätzlich vereinbar.“
Im Endbericht der NiKo-Initiative, der im Januar 2016 veröffentlicht wurde, wird auch das Potenzial von Schieferöl in Deutschland untersucht.